Grundstück
und Bebauung
Das Grundstück erstreckt sich quer durch den Block bis zur Bademutterstraße
und besitzt dort eine Zufahrt. Die Bebauung besteht heute aus dem giebelständigen
zweigeschossigen Vorderhaus, einem zweigeschossigen Kemladen mit Pult-
bzw. Satteldach sowie einem weiteren zweigeschossigen Anbau mit Flachdach.
Weiterhin stehen auf dem Hof einige eingeschossige Nebengebäude
mit Flach- bzw. Pultdächern.
Auf der Glashoff-Karte 1833 sind das Vorderhaus, der Kemladen sowie
die durchgehende Bebauung zur Bademutterstraße gut erkennbar,
die Umrisse des Vorderhauses und des Kemladens stimmen mit dem heutigen
Bestand überein.
Datierungen
· Dach Vorderhaus: 36 Proben, Eiche, davon vorderer und hinterer
Teil: 13 Proben „Winter 1354/55“; mittlerer Teil: 2 Proben
„Winter 1537/38“, 5 Proben „um 1539 (+11/-0)“
· Hausbaum: Eiche, „1540“; weitere Proben „1539“,
„1538“, „um/nach 1541“
· Ständer nördlich Hausbaum: Eiche, „1733“;
4 weitere Proben aus Fachwerk-Innenwänden, Kiefer, „1733“
und „nach 1726“
· Dach Kemladen: 20 Proben, Eiche, davon 11 Proben zwischen „Winter
1539/40“ und „Sommer 1543“
· Deckenbalken Kemladen: 1 Probe, Eiche, „1542“;
2 Proben, Kiefer, „1726“, 1 Probe, Kiefer, „kurz nach
1726“
· Kemladen: Zwei wiederverwendete Bauteile „1353“
und „1359 +/-10“
Kurzbeschreibung
und bauhistorische Wertung
Vorderhaus und Kemladen zählen zu den baugeschichtlich wertvollsten und vielschichtigsten Bauten in der Wismarer Altstadt. Sie werden als Restaurant „Weinberg“ genutzt, in dessen Mittelpunkt die über 6 m hohe Diele im hinteren Bereich des Vorderhauses steht. Auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme, eines restauratorischen Gutachtens und umfangreicher dendrochronologischer Untersuchungen sind wir über die Baugeschichte gut informiert. Weitere Erkenntnisse sind im Rahmen baubegleitender Untersuchungen zu erwarten.
Das Vorderhaus wird bis heute von umfangreicher Bausubstanz
aus der Zeit vor 1700 geprägt. So sind die Brandmauern (vermutlich
14./15. Jh.) bis zum Dach erhalten. Der vordere und der hintere Teil
des Dachwerks stammen ebenfalls noch aus dem 14. Jh. (Kehlbalkendach
mit drei Kehlbalkenlagen, Dachneigung ca. 58 Grad; Firstverbindung als
Scherzapfen mit Holznagel, Sparren-Kehlbalken-Verbindung als Schwalbenschwanzblatt
mit Holznagel; in diesen Bereichen gerissene Abbundzeichen in Strichaddition,
auf der Westseite mit zusätzlichem Diagonalstrich zur Seitenunterscheidung).
Die mittelalterliche Dielenhöhe ist mit etwa 4,70 m zu rekonstruieren,
darüber lag das ca. 3,60 m hohe Obergeschoss.
Durchgreifende
Veränderungen erfolgten im 16. Jh.: neben dem Anbau des Kemladens
(s.u.) wurde der mittlere Teil des Dachwerks erneuert (erkennbar an
den Abbundzeichen: auf der Westseite geritzte Abbundzeichen mit Fähnchen,
auf der Ostseite geritzte Abbundzeichen mit gestemmten Rechtecken, in
römischer Zählweise). Die Dielendecke wurde etwa 1,50 höher
gelegt und ein Unterzug mit Ständern, Sattelholz und Kopfbändern
eingebaut. Die Höhe des Obergeschosses reduzierte sich durch diesen
Umbau auf etwa 2 m. Fachwerkeinbauten in der Diele sind für diese
Zeit anzunehmen. Vermutlich entstand in dieser Zeit auch der Fachwerk-Hofgiebel
(aufgrund durchgreifender Erneuerung in den 1980er Jahren nur noch auf
historischen Fotografien dokumentiert).
Im
17. und 18. Jh. wurde im Inneren neue Räume angelegt, insbesondere
im vorderen Hausteil: dort wird spätestens zu diesem Zeitpunkt
das Dielengeschoss zweigeschossig ausgebildet und in der oberen Ebene
ein repräsentativer Raum geschaffen, der über eine Treppe
von der Diele erschlossen wird (vermutlich mit einem Geländer aus
halbplastischen Balustern, die allerdings nur in Zweitverwendung an
anderer Stelle erhalten sind). Weiterhin wird der Straßengiebel
neu gestaltet. Die dreiachsige Fassade teilt sich in zwei Abschnitte:
das Erd- und Obergeschoss mit Quaderputz, über dem Hauseingang
eine Bacchusfigur von 1710. Das darüber liegende Giebelfeld viergeschossig
ausgebildet, die Mittelachse durch kannelierte Kolossalpilaster betont
und mit Dreiecksgiebel abgeschlossen. Die seitlichen Giebelteile von
rustizierenden Pilastern gerahmt. Von den Voluten ausgehend leicht geschwungener
Giebelumriss. Die seitlichen Achsen in den beiden oberen Geschossen
mit segmentbogigen Luken.
Im
19. Jh. erfolgten Modernisierungen im Gebäudeinneren (Beläge,
Bekleidungen, Installationen etc.) sowie (um 1873) die Erneuerung der
Putzgliederung der Straßenfassade in Neorenaissance-Formen, die
1989 wieder rückgängig gemacht wurde. Prägende Eingriffe
des 20. Jh. waren insbesondere die historisierende Erneuerung der Treppenanlage
in der Diele mit plastischen Balustern in den 1920er Jahren sowie die
Neugestaltung der Bemalung der Dielendecke.
Der
zweigeschossige Kemladen mit massivem Erd- und Fachwerk-Obergeschoss
entstand um 1542 offensichtlich im Zusammenhang mit den Umbauten im
Vorderhaus und hatte vermutlich keinen Vorgängerbau. Er zählt
zu den ältesten datierten Fachwerkbauten in Mecklenburg. Ursprüngliche,
z.T. sehr große Fensteröffnungen im EG ablesbar. Aussteifung
des Fachwerks z.T. durch Andreaskreuze, erster Anstrich auf Ausfachungen
rot, Zierausfachungen.
Im
Erdgeschoss heute der Küchenausbau für das Restaurant im Vorderhaus.
Im Obergeschoss bis in die 1970er Jahre eine 2,50 x 3,00 m große
Decke aus Brettern, die mit stilisierten Weinranken bemalt waren; heute
in der Heiligen-Geist-Kirche. Im Obergeschoss heute noch ein ca. 3,80
x 2,00 m großer Abschnitt mit Renaissance-Deckenmalerei erhalten.
Dach
ursprünglich durchgängig als Pultdach ausgebildet, nördlicher
Teil um 1726 zum Satteldach umgebaut. Pultdach-Konstruktion des südlichen
Teils mit einer Kehlbalkenlage und einfach stehendem Stuhl unter der
Sparren-Kehlbalken-Verbindung. 9 Gebinde, Dachneigung ca. 45 Grad. Firstverbindung
als Scherzapfen mit Holznagel, die Sparren-Kehlbalken-Verbindung als
Schwalbenschwanzblatt mit Holznagel. Die östliche Wand besteht
aus ummauertem Fachwerk, die Ständer und Riegel gezapft und die
Streben sowie die Kehlbalken angeblattet. Abbundzeichen sind nur auf
der Westseite vorhanden: geschlagene Abbundzeichen in römischer
Zählweise.
Dachkonstruktion
des nördlichen Teils als Satteldach: Kehlbalkendach mit einer Kehlbalkenlage.
9 Gebinde, Dachneigung ca. 54 Grad. First- und Sparren-Kehlbalken-Verbindung
gezapft mit Holznagel. Auf der Westseite geritzte Abbundzeichen mit
Fähnchen in römischer Zählweise, auf der Ostseite geschlagene
Abbundzeichen in römischer Zählweise, nach Süden ansteigend.
Viele Hölzer in diesem Bereich zweitverwendet (alte Blattsassen,
Zapflöcher).
Eigentümer
und Bewohner im 17. und 18. Jahrhundert
· Herr (Ratsherr) Daniel Sandow (Erbe, 1596)
· Bürgermeister David Sandow, (Erbe, vermutlich vor 1637,
nachgetragen); Bürgerbuch: David Sandow, 29.8.1615, Bürgersohn
· Zacharias Schnor (Kauf, 1637); Bürgerbuch: Zacharias Schnor,
28.3.1618, Bürgersohn
· Doktor David Ranitz (Kauf, 1638); Bürgerbuch: D. David
Ranitz, 4.5.1633, Bürgersohn
· Gödert Roterdam (Kauf, 1648); Bürgerbuch: Gödert
Rotterdamm, 22.3.1645, Raths Weinschenker, v. Lübeck
· Martin Röseler (Kauf, 1661); Bürgerbuch: Martin Röseler,
13.9.1651, Kaufgesell, v. Rostock
· Türkensteuer 1665: Kaufmann Martin Röseler
mit Frau, Magd, Handwerks- und Dienstjunge sowie Ochsen und Kühe,
3 Reichstaler und 12 Schilling.
· Jochim Ratke Jochim Sohn (1687); Bürgerbuch: Jochim Rathke
junior, 21.7.1677, Bürgersohn
· Harmen Fischbek (Kauf, 1696)
· dessen Witwe und Erben (Erbe)
· Christian Zincke (Kauf, vermutlich vor 1710, nachgetragen);
Bürgerbuch: Christian Zinke, 17.12.1692, Bürgersohn
· Fridrich Philip Pommer (Kauf, 1710); Bürgerbuch: Friedrich
Philipp Pommer, 26.11.1710, Weinschenk
· Andreas Heyn (aus Konkurs, 1729)
· dessen Witwe und Erben (Erbe, vermutlich vor 1737, nachgetragen)
· Marcus Holst (Kauf 1737); Bürgerbuch: Marcus Holste, 13.12.1713,
Krämer
· dessen Witwe und Erben (Erbe, vermutlich vor 1749, nachgetragen)
· Elisabeth Angermannen, Marcus Holsten Witwe (Erbe und Kauf,
1749)
· Anton Matties Schwartzkopf (Kauf, 1751)
· Anton Matties Schwartzkopff Witwe und Kinder (Erbe, vermutlich
vor 1803, nachgetragen)
· dessen Sohn (Erbe und Transaktion, vermutlich vor 1803, nachgetragen)
· dessen Witwe Dorothea Elisabeth, geborene Ahrnsen, Erbe und
Tansaktion (vermutlich vor 1803, nachgetragen)
· Peter Hartwich Rehm oder: Behm? (Kauf, vermutlich vor 1803,
nachgetragen)
· dessen Witwe (Erbe und Transaktion, vermutlich vor 1803, nachgetragen)
· Johan David Kindler (Kauf, vermutlich vor 1803, nachgetragen);
Bürgerbuch: Johann David Kindler, 1.2.1787, Weinhändler, Bürgersohn
· Volkszählung 1799, Nr. 144: Weinhändler
Kindler mit Frau, 1 männliches, erwachsenes Kind bzw. Hausgenosse
über 12 Jahren, 1 Lehrbursche, 1 Knecht und 1 männliches Kind
bzw. Dienstbote unter 12 Jahren, 2 Mägde.
Literatur
und Quellen
· Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Mecklenburg-Vorpommern.
Bearbeitet von Hans-Christian Feldmann. München/Berlin 2000, S.
699.
· Institut für Denkmalpflege (Hrsg.): Die Bau- und Kunstdenkmale
in der DDR. Mecklenburgische Küstenregion. München 1990, S.
147 (dort unter Lübsche Str. 31).
· Christel Kindler: Der Wismarer „Weinberg“. Zur
Geschichte des Hauses und seiner Besitzer. In: Wismarer Beiträge,
Heft 12 (1996), S. 13-19.
· Akten der Hansestadt Wismar (Bauordnungs- und Denkmalamt, Stadtarchiv).
· Dendrochronologisches Gutachten der Universität Hamburg,
Fachbereich Biologie, Juli 1996.
· Matthias Zahn: Restauratorische Voruntersuchungen am Gebäude
Hinter dem Rathaus 3/Dendrochronologische Untersuchungen. Groß
Rogahn 2002.
· Prof. Dipl.-Ing. Jasper Herrmann, Architekt BDA: Bestandszeichnungen
M 1:50 (Grundrisse, Schnitte, Ansichten), Stralsund 2002.