Forschungsstand
 
 
   

Bei Antragsstellung des Projektes im Jahre 2001 ließ sich der Forschungsstand zum Thema wie folgt zusammenfassen:

Der profane Baubestand der Wismarer Altstadt ist baugeschichtlich bisher nur sehr unzureichend untersucht und dokumentiert. Dies betrifft sowohl die mittelalterliche Bausubstanz als auch den Baubestand des 16. bis 19. Jahrhunderts. Vorliegende Veröffentlichungen beziehen sich überwiegend auf stadt- bzw. kunstgeschichtlich herausragende Gebäude und hier wiederum auf deren Äußeres. Im Vordergrund stehen insbesondere die Bauten des 14. und 15. Jahrhunderts. Halbwegs vollständige und detaillierte Bestandsaufnahmen einzelner Profanbauten wurden bisher nicht veröffentlicht. Den einzigen Ansatz für eine flächendeckende vergleichende Erfassung der Wismarer Altbausubstanz stellt die Aufnahme der Keller unter den Häusern dar (Gude/Scheftel 2001). Ähnliches gilt für den Stadtgrundriss: Fragen nach der Entwicklung der Parzellenstruktur der Baublöcke und den Beziehungen zwischen Parzellenstruktur, Baustruktur und Nutzung wurden bisher nicht systematisch bearbeitet.

Die Entwicklung der Befestigung der Stadt Wismar im 17. Jahrhundert war bisher ebenfalls nicht Gegenstand umfassender Untersuchungen, lediglich in zahlreichen kleineren Veröffentlichungen wurden Teilaspekte wiederholt aufgegriffen (Schubert 1990 und 1991, Hoppe 1993, 1995 a und b). Dies hängt u.a. auch damit zusammen, dass umfangreiches Material zu Fragen der Stadtbefestigung in dieser Zeit im Kriegsarchiv in Stockholm liegt und daher bis 1989 für Wissenschaftler aus der DDR nicht ohne weiteres zugänglich war.

Wie die in den 1980er Jahren in Lübeck durchgeführten Untersuchungen gezeigt haben, sind Aufschlüsse über die Entstehung und Entwicklung städtischer Bebauungsstrukturen und Hausformen nur durch einen interdisziplinären Forschungsansatz zu erreichen, der neben bauhistorischen Reihenuntersuchungen in den Gebäuden auch die Dendrochronologie und die Auswertung schriftlicher Quellen einbeziehen muss. In den vergangenen Jahren wurde daher durch den Antragsteller eine vergleichende Erfassung ausgewählter Dachkonstruktionen in Verbindung mit dendrochronologischen Untersuchungen durchgeführt, um über die Datierung der Dachwerke Rückschlüsse auf zeitliche Schwerpunkte der Bautätigkeit in Wismar ziehen zu können (Braun 1999 und 2000). Insgesamt wurden bis 2001 etwa achtzig Dachkonstruktionen erfasst und etwa sechzig dendrochronologisch untersucht, sodass nunmehr hinreichend genaue Datierungshilfen zur groben Altersbestimmung von Dachkonstruktionen gegeben sind. Die wesentlichen Datierungskriterien sind neben den Abbundzeichen in erster Linie die Knotenpunkte zwischen Sparren und Kehlbalken. Die Untersuchung der Dachkonstruktionen hat gezeigt, dass in Wismar insbesondere in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine äußerst intensive Bautätigkeit (Neubau und Umbau) stattgefunden hat. Abgesehen von einigen älteren mittelalterlichen Dächern und einigen Dachkonstruktionen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammt die überwiegende Zahl der Dachwerke aus dieser Zeit. Zahlreiche inschriftliche Datierungen von Straßenfassaden liegen ebenfalls in diesem Zeitraum.